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Energie! Warum Sparzwang und Schrumpfkurs falsch sind.

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Konstantin Bätz
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Energie
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Konstantin Bätz formuliert eine Agenda des Energieüberflusses als Alternative zu Degrowth und Energiesparzwang.

Das Ziel der deutschen Energiepolitik war 2022 das Einsparen. Der russische Angriff auf die Ukraine und die daraus resultierende Gasmangellage ließ keine andere Wahl – jedoch darf diese Einsparpolitik nicht als grundlegendes Muster für die Energiewende dienen.

Die erstarkende „Degrowth“-Bewegung möchte sich mit Einsparen nicht zufriedengeben, sondern – zum Wohle des Planeten und seiner Bewohner – Wirtschaftswachstum generell bremsen und sogar umkehren. Als Vertreter dieser Bewegung können beispielsweise die Journalistin Ulrike Herrmann und der Hochschulprofessor Helge Peukert gelten, aber auch hier auf FMP argumentiert die Sozialwissenschaftlerin Lena Siepker ähnlich.

Degrowth – warum eigentlich nicht?

Die Degrowth-Bewegung strebt eine Verringerung von Produktion und Konsum an. Ökologische Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit durch Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft. Durch die Klimakrise gewinnt die Bewegung an Bedeutung, da sie Wirtschaftswachstum als Hauptursache für CO2-Emissionen und globale Erwärmung sieht.

Wachstum ist kein Schalter, den man beliebig hoch- oder herunterregeln kann.

Folgt man dieser Argumentation, dann lässt sich die Sparpolitik aus der Gasmangellage als Antwort auf die Klimakrise reformulieren: ökonomische Aktivitäten zurückfahren, Energie sparen, Klimawandel stoppen. So weit, so einfach. Jedoch sprechen sowohl natur- und wirtschaftswissenschaftliche als auch politische Gründe gegen eine Degrowth-Agenda.

Wachstum und CO2 – listen to the science!

Die Degrowth-Logik steht und fällt mit dem Zusammenhang zwischen Wachstum und CO2 Ausstoß. Wenn wir an die industrielle Revolution denken, fallen uns zuerst rauchende Fabrikschlote und Kohlebergwerke ein. Der Ausstoß von CO2 war ein Nebeneffekt des Wachstums auf fossiler Grundlage, der dem Westen in dessen Industrialisierung zugutekam.

Noch in den 1980er und 1990er Jahren mag Degrowth-Argumenten eine gewisse Logik innegewohnt haben: Atomkraftwerke waren bereits umstritten, Photovoltaik und Windenergie noch nicht ausgereift – es blieb also die Wahl zwischen entweder Wachstum und weiter steigenden CO2-Emissionen oder Degrowth zur Rettung des Planeten.

Inzwischen sind Wachstum und CO2 Emissionen in den westlichen Industrieländern aber weitgehend entkoppelt, sowohl aggregiert als auch pro Kopf. Auch wurden diese Emissionen nicht einfach exportiert, denn auch die CO2 Bilanz der in Deutschland konsumierten Güter sinkt stetig. Es besteht weder ein empirischer noch ein inhärent notwendiger Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Wachstum und CO2 Ausstoß.

Ökonomisches Wachstum ist kein Schalter, den man beliebig hoch- oder herunterregeln kann. Wachstum oder Schrumpfen der Wirtschaft sind die Resultate politischer und ökonomischer Entscheidungen. Warum also das Pferd von hinten aufzäumen? Das Ziel sollte sein, Emissionen zu reduzieren, im Einklang mit den durch die Wissenschaft festgelegten CO2-Budgets. Die Schalter sind u.a. Emissionshandel, CO2 Steuer, Regulierungen, Subventionen – nicht eine administrative Vorgabe des Wirtschaftswachstums.

Klimapolitischer Realismus

Auf der politischen Ebene spricht ein weiteres Argument gegen die Viabilität einer Degrowth-Agenda. Deren Durchsetzung wird, falls überhaupt, nur mit extremen politischen Verwerfungen machbar sein. Wirtschaftliche Stagnation und Rückgang der Produktion wird politische Verteilungskämpfe verschärfen und die politische Polarisierung noch weiter intensivieren. Letztendlich können wir eine Durchsetzung der Deindustrialisierung gegen den demokratischen Mehrheitswillen nicht wollen – geschweige denn ihn durchsetzen.

Das Ziel: Energie im Überfluss

Während die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Degrowth-Bewegung ansteigt, hält sich deren reale Macht in Grenzen. Die Grüne Parteibasis mag schon aus historischen Gründen eine gewissen Sympathie für eine Degrowth-Agenda hegen. Aber unter den Entscheider:innen in der Partei wird das pragmatische Ziel ausgegeben, Wachstum und CO2 Ausstoß weiter zu entkoppeln und immer mehr unseres Wachstum auf CO2 neutraler Wertschöpfung aufzubauen. Die Devise lautet: Nachhaltiges Wachstum.

Die wahre Frage liegt in der Ausbuchstabierung dieser Devise. Wir benötigen eine stärkere Gewichtung des Wachstums – ohne dabei Nachhaltigkeit zu vernachlässigen.

Wie wichtig diese Betonung ist, erkennen wir gerade in der Energiepolitik. Dort sehen wir Einspar- und Preispolitik – Energiepreisbremsen, Energieeffizenzgesetz, Industriestrompreis. Diese Maßnahmen können unsere Energiepolitik allenfalls flankieren, aber der Fokus muss auf dem Ausbau von Energiegewinnungskapazitäten liegen.

Wozu mehr Energie?

Warum ist Energieüberfluss ein erstrebenswertes Ziel? Zum einen entschärft es die Verteilungskämpfe, die Degrowth Politik zu einer politischen Sackgasse machen. Zum anderen öffnet billige Energie neue Räume für Technologien, die andernfalls schlicht unwirtschaftlich wären.

Der Mobilitätssektor wird immer wieder zum Schlachtfeld der Klimapolitik, seien es Planungsbeschleunigung, Tempolimits oder E-Fuels. Doch egal, ob die Personenmobilität der Zukunft auf E-Fuels oder Elektroautos aufbaut – unser Energiehunger wird steigen. E-Autos wollen geladen werden, E-Fuels energieintensiv hergestellt. Auch für den Fracht-, Güter- und Flugverkehr werden wir energieintensive Lösung wie Wasserstoff nutzen – mehr und billiger Strom ist notwendig, um die Verkehrswende aus den Köpfen auf die Straße zu bringen.

Statt politischen Grabenkämpfen um die „richtige“ CO2 neutrale Energiequelle sollten wir breit in Gegenwarts- und Zukunftstechnologien investieren.

Ein weiteres Beispiel ist die Produktion von Stahl. Gegenwärtig wird bei der Erzeugnung von 1 Tonne Stahl circa 1,7t Tonnen CO2 in die Atomsphäre gegeben. Die Alternative – Nutzung von „grünem“ Wasserstoff zur Stahlproduktion – ist zwar CO2-neutral, aber in noch höherem Maß energieintensiv. Ist diese Energie teuer, bleibt die Produktion von „grünem“ Stahl unrentabel. Wollen wir die Stahlproduktion klimafreundlich gestalten, müssen wir also auch für diesen Sektor mehr und billige Energie verfügbar machen.

Die Reihe an Technologien und Anwendungen, die durch billige Energie wirtschaftlich werden, lässt sich beliebig weiterführen:

  • Die Entsalzung von Meerwasser ist technisch machbar, aber extrem energieaufwendig.
  • Gegenwärtig braucht die Landwirtschaft vor allem eins: Fläche. Mit billiger Energie lohnen sich neue, platzsparende Lösungen wie vertikale Landwirtschaft.
  • Die Bundesregierung lockt mit Einmalzahlungen die Produktion von Halbleiterchips nach Deutschland. Reichlich verfügbare elektrische Energie und niedrige Strompreise schaffen dagegen nachhaltige Anreize für diese energieintensive Industrie.

Konkrete Utopien

Einige wichtige Schritte in die richtige Richtung sind bereits gemacht. Die Kosten von Windkraft und Photovoltaik sind in den letzten Jahren durch Forschung, Entwicklung und Skaleneffekte gesunken. Die Bundesregierung hat sich deren Ausbau auf die Fahnen geschrieben. Aber statt sich im anderen Atemzug die Abwärme von Rechenzentren zu regulieren, sollten wir auf eine Welt hinarbeiten in denen diese Abwärme nicht mehr ins Gewicht fällt – weil wir Energie im Überfluss haben.

Über den Ausbau der bestehenden Technologien hinaus sollten wir private und öffentliche Investitionen stärker fördern. Gleichzeitig müssen wir deren regulatorische Rahmenbedingungen verbessern. In Deutschland ist das letzte Atomkraftwerk inzwischen vom Netz, aber auch die Grundlagenforschung an neuen Reaktordesigns hat es nicht leicht.

Statt politischen Grabenkämpfen um die „richtige“ CO2 neutrale Energiequelle – wie Kern- gegen Windkraft – sollten wir breit in Gegenwarts- und Zukunftstechnologien investieren. Dazu zählen Batterietechnologien und Grüner Wasserstoff genauso wie Geothermalenergie, Carbon Capture und Kernfusion.

Eine Diversifizierung unseres Energieportfolios hat den Vorteil der Risikostreuung – wer weiß, ob und wann Kernfusion nennenswerte Energiemengen liefern kann? – und des Ausgleichs von Nachteilen. Solarenergie hat geringe laufende Kosten, benötigt aber Platz und Überkapazitäten. Batterietechnologien und Kernkraft können dies ausgleichen.

Apollo Programm statt Maschinenstürmer

Vor allem eines ist jedoch notwendig: Lust am Neuen, Technologieoffenheit, und Vertrauen in Wissenschaft, in Technik und, ja, auch in Marktmechanismen, die Technologien von der Skizze auf die Märkte bringen.

Eine optimistische Vision der Zukunft

1957 hielt der Direktor der Atomic Energy Commission, Lewis Strauss, eine Rede über seine Vision der nächsten 15 Jahre:

“Our children will enjoy in their homes electrical energy too cheap to meter […] It is not too much to expect that our children will know of great periodic famines in the world only as matters of history, will travel effortlessly over the seas and under the and through the air with a minimum of danger and at great speeds, and will experience a life span far longer than ours, as disease yields and man comes to understand what causes him to age.”

Als Vorhersage hat diese Vision die Zeit nicht überdauert. Wir sollten sie dennoch als Ansporn begreifen.

 

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