Klimaschutz braucht Kooperation
Die Klimapolitik ist im Zwiespalt zwischen alten Abhängigkeiten, neuen Partnerschaften und geopolitischen Konflikten. Die Rückkehr der Geopolitik macht ein Umdenken erforderlich, schreibt Andreas Kuhlmann.
Seit jeher baut die deutsche Energieaußenpolitik auf Partnerschaften und Kooperationen mit Drittländern. Traditionell waren dies Beziehungen zum Import fossiler Rohstoffe sowie zum Export deutscher Technologien. In den letzten Jahren aber auch neue Kooperationen, wie z.B. die Energiepartnerschaften und –dialoge, sowie Wasserstoffpartnerschaften. Instrumente, die die Bemühungen um Energiewende und Klimaschutz auch international fortsetzen – für energiepolitischen Austausch auf Regierungsebene, sowie energiewirtschaftliche Innovationen aber auch für wirtschaftliche Kooperation. Auch die Deutsche Energie Agentur (dena) unterstützt die Bundesregierung in diesen Bemühungen.
Schon immer gab es Kritik an der deutschen Haltung in seinen (Energie)-Außenbeziehungen – Spätestens seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine jedoch, werden diese noch einmal unter anderen Gesichtspunkten kritisch hinterfragt. Neue Anforderungen an diese gestellt. Alternative Partner zu den bisherigen wurden für Energieimporte eilig gesucht und gefunden. Dadurch ergeben sich Fragen zu neuen Infrastrukturen – für alte und neue Energieträger. Bei alledem stellt sich der Frage – unter welchen Kriterien wir uns zukünftige Partner aussuchen – und mit welcher Haltung wir diese Partnerschaften eingehen.
Zwei zentrale und einander erschwerende Herausforderungen bestehen darin, dass die neuen Beziehungen die komplizierten energiepolitischen Prioritäten zwischen Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit austarieren müssen. Gleichzeitig gilt es, diese mit den strategischen und werte-orientierten Zielen der deutschen Außenpolitik in Einklang zu bringen. Anstatt auf einseitige Importabhängigkeiten von wenigen (autokratischen) Ländern gilt es nun, auf ein Netzwerk von Partnerländern zu setzen. Ziel sollte dabei einerseits der gemeinsame Aufbau kritischer Wertschöpfungsketten, ein Risikomanagement auf den globalen Energiemärkten und der Handel mit erneuerbaren Energien und klimaneutralen Waren und Gütern sein. Andererseits kann es uns auch nicht egal sein, wie unsere Partner umgehen mit Fragen der Nachhaltigkeit, Menschenrechten und Good Governance.
Die geopolitischen und geoökonomischen Veränderungen sind fundamental, die damit verbundene Unsicherheit ist es auch. Die Neuorientierung unserer Energieaußenbeziehungen, eingebettet in einer stabilen europäischen Perspektive, ist daher dringlich. Nach Jahren, in denen vor allem die deutsche Politik stark auf ökonomische Gewinne durch Globalisierung gesetzt hat, stellen wir fest, dass Außenpolitik mehr ist als reine Handelspolitik. Protektionismus und nationale Sicherheitsbedenken im internationalen Handel stehen heute zunehmend auf der Agenda. Die Spannungen zwischen den Handelsblöcken China und den USA wachsen stetig. Der amerikanische Inflation Reduction Act (IRA) wird aber auch insbesondere in der Europäischen Union als protektionistische Bedrohung für die europäische Industrie wahrgenommen. Eine wirklich gute Antwort darauf ist auch der Green Deal Industrial Plan der EU Kommission noch nicht. Ein Subventions- und Handelskrieg über den Atlantik im Bereich Clean Tech hätte ziemlich sicher eine Verliererin: die globale Energiewende.
Denn eines ist sicher: Die Bewältigung der Klimakrise und das Gelingen der Transformation sind globale und gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die nicht von einzelnen Staaten oder Regionen im Alleingang gelöst werden können. Diese Erkenntnis ist zwar nicht neu, doch vor den aktuellen weltpolitischen Entwicklungen aktueller denn je. Fest steht: Für globale Energiewende brauchen wir starke Partner auf allen Erdteilen.
Wohlhabende Industrieregionen wie Deutschland, die EU und USA haben bei alledem eine globale Verantwortung. Wir müssen unsere Energie- und Klimapolitik so ausgestalten, dass sie auch für die Transformation in Schwellen- und Entwicklungsländern von Nutzen ist. Neben der Überwindung von Handels- und geopolitischen Konflikten bleibt die zukunftsgerechte Kooperation mit dem Globalen Süden zentrale Aufgabe der EU Klima- und Energiediplomatie. Die bisherige Bilanz aber ist eher beschämend.
So blicken Partnerländer aufgrund historischer Erfahrungen meist nicht sorgenfrei auf energiepolitische Zusammenarbeit mit Ländern des Globalen Nordens. Im Kontext von Wasserstoffpartnerschaften äußert sich das beispielsweise an Vorwürfen, die EU würde damit die Verantwortung für die Dekarbonisierung ihrer Energie- und Industriesysteme auf den Globalen Süden abwälzen und neo-kolonialistische Strukturen verstärken. Es gilt diese Skepsis ernst zu nehmen und Ausdrücke wie „Kooperation auf Augenhöhe“ und „werteorientierte Außenpolitik“ nicht nur in Reden, sondern auch in taten glaubwürdig zu vertreten und mit konkreten Maßnahmen zu füllen.
Wie kann das Gelingen? Zentrales Anliegen in internationalen Kooperationen muss sein sozioökonomische und (infra-)strukturelle Grundvoraussetzungen zu verstehen und nationale Zielsetzungen abzugleichen. Nur mit einer gemeinsamen Wertefindung kann in einem zweiten Schritt eine gemeinsame Zielsetzung erarbeitet, Asymmetrien minimiert und Verbindlichkeiten und beidseitige Wettschöpfung erhöht werden.
Am 24. Januar 2023 stellte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) die neue Afrika-Strategie vor. Darin werden Respekt und Werte als die grundlegenden Pfeiler genannt, die für eine gemeinsame und faire Energiewende nötig sind. Partnerschaften sollen den Ländern ermöglichen, ihr Potenzial zu heben, so Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze in ihrer Vorstellung der Strategie. Klingt gut! Allein in der tagesaktuellen Politik ist das nicht immer erkennbar.
Afrika ist der Kontinent mit der größten Jugendgeneration weltweit. Etwa die Hälfte der Menschen sind unter 30 Jahre alt. Ihnen eine nachhaltige Wirtschaft und Zukunft zu ermöglichen, ist nicht nur eine Frage von Möglichkeiten, sondern eine Pflicht, wenn man dem Leitsatz der UN einer „just energy transition“ nach dem „Leave – no one behind (LNOB)“-Grundsatz folgt.
Und fest steht auch: Deutschland und die EU sind abhängig von Energieimporten aus Ländern mit einem hohen und kostengünstigen Potenzial von erneuerbarem Strom und Wasserstoff, maßgeblich Länder aus dem Globalen Süden.
Im Wettbewerb mit anderen internationalen Investoren, wie z.B. China, ist daher ein klares und glaubhaftes Bekenntnis zur Unterstützung nachhaltiger Entwicklung in den Partnerländern ein wichtiger Aspekt. Der Aufbau erneuerbarer Energietechnologien im Globalen Süden muss vor allem zum Aufbau lokaler Wertschöpfung und Arbeitsplätze beitragen, um Akzeptanz und die nötige politische Aufmerksamkeit in den Partnerländern zu finden.
Diese Länder werden sich zukünftig ihre Abnehmer selbst aussuchen können. WIR müssen um sie werben. In Afrika gibt es z.B. mit der AREI (Africa Renewable Energy Initiative) eine Organisation, die ehrgeizige Ziele für den heimischen Ausbau Erneuerbarer Energien und Good Governance verfolgt. Solche Initiativen gilt es mit technischer, regulatorischer und finanzieller Hilfe zu unterstützen, um die ökologische und ökonomische Transformation vor Ort zu fördern.
Am Beispiel von Wasserstoff bedeutet das auch, nicht nur den Aufbau von Wasserstoffproduktionskapazitäten sondern auch die Etablierung nachgelagerter Wertschöpfungsketten, wie z.B. grüne Ammoniakindustrien oder klimaneutrale Stahlproduktion, zu ermöglichen. Die industriepolitischen Bedürfnisse der Partnerländer in der Weiterentwicklung der europäischen Energiepartnerschaften mitzudenken ist elementar, kann jedoch in Teilen mit den eigenen handels- und industriepolitischen Zielen in Konflikt stehen. Doch am Ende wird die EU nicht darum herumkommen diese schwierige Diskussion zu führen und auch einen wachstumskritischen Blick auf die eigenen Energiewendepläne zu richten.
Attraktiv machen können wir uns mit der Anwendung ökologischer und sozialer Nachhaltigkeitskriterien. Um beim Beispiel Wasserstoff zu bleiben: Die Herstellung ist mit neun Litern Wasser pro produziertem Kilogramm Wasserstoff, sowie hohem Stromverbrauch für die Elektrolyse, sehr ressourcenintensiv. Der Zugang zu Elektrizität und Trinkwasser ist für jeden Menschen Grundvoraussetzung für ein würdiges Leben und ist auch unter den Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen verankert. Gleichzeitig ist insbesondere die Ressource Wasser ein immer knapper werdendes Gut, insbesondere in afrikanischen Ländern. In den 2010er Jahren haben sich die Konflikte und Kriege um Wasser in Afrika verglichen zum vorherigen Jahrzehnt mehr als verdoppelt.
Einige gute Beispiele gibt es bereits: In der deutschen Energiepartnerschaft mit Kasachstan wird untersucht, wie ein nachhaltiges Wassermanagement für die Produktion von Wasserstoff gelingen kann. Nicht für den Export, sondern für die heimische Nutzung.
Neue Partnerschaften müssen sich daher neben dem gegenseitigen Respekt und Verständnis vor allem an Anforderungen einer ökonomischen und ökologischen Nachhaltigkeit orientieren. Einen breiten Instrumentenkasten (internationales Recht, internationale Kooperationen und Organisationen) dafür haben wir bereits. Die richtige Anwendung kriegen wir nun hoffentlich auch hin.
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